Einfach zufrieden. Während viele Menschen nach größer, schneller, weiter und mehr streben, ist für Stefan Kirn mit seiner Bäckerei Kirn alles gut so, wie es ist. Und das kann gerne so bleiben!

„Ich hoffe, in fünf Jahren stehe ich an der gleichen Stelle wie jetzt“. Stefan Kirn meint damit die Backstube seiner Bäckerei auf dem Schkopauer Weg 65 in Halle/Saale. Neue Filialen eröffnen, mehr produzieren, maximale Gewinne einfahren – all das scheint den Bäckermeister nicht zu interessieren. Wieso auch? „Im Moment bin ich sehr zufrieden“, so der Chef des Familienbetriebs in dritter Generation.

Zurück zum traditionellen Handwerk

Vielleicht liegt es auch daran, dass das Geschäft mit dem Stammsitz und einer Filiale in der Beesener Straße gut läuft? Aber die Bäckerei Kirn hat auch eine mittlerweile über 50-jährige Geschichte und damit eine gewisse Bekanntheit in der Stadt. Großvater Helmut Kirn gründete sie 1968, pünktlich zum 25-jährigen Firmenjubiläum übernahm sein Sohn Uwe Kirn. Enkel Stefan Kirn führt den Betrieb nun seit 2013. Seitdem hat sich einiges verändert. Neu ist beispielsweise der vor einigen Monaten eingeweihte Verkaufsraum in der Hauptzentrale. Geblieben sind dagegen die Rezepte des Opas, die stets die Basis für die meisten Brote, Brötchen und Kuchen sind.

Seit einigen Monaten gibt's einen modernen Verkaufsraum bei Bäckerei Kirn. Der alte stammte noch aus den 1990er Jahren...

Seit einigen Monaten gibt’s einen modernen Verkaufsraum bei Bäckerei Kirn. Der alte stammte noch aus den 1990er Jahren…

Stefan Kirn, der klassisch bei seinem Vater die Ausbildung zum Bäcker absolvierte, brachte seine eigene Philosophie mit ein: „Als ich vor sieben Jahren den Betrieb von meinem Vater übernahm, fuhren wir alles herunter, was sich seit den 1990er Jahren an Convenience-Produkten eingeschlichen hatte. Jetzt wird wieder traditionell handwerklich gebacken – sozusagen reaktiviert durch die alten Rezepte des Großvaters.“

Klar, der Verzicht auf Backmischungen und andere „Helferlein“ in der Backstube führt zu einem höheren Aufwand: „Wenn ich fünf Kilogramm Pudding koche, dauert das eine Viertelstunde. Rühre ich Cremépulver mit Wasser zusammen, ist das nach drei Minuten fertig. Aber den Unterschied schmeckt man auch“, so Stefan Kirn. Das bestätigt ihm seine treue Kundschaft. Und wenn doch mal was nicht stimmt, ist Kritik gerne gesehen: „Ich freue mich schon, wenn mal eine Aussage vom Kunden kommt nach dem Motto: ‚Das war heute nicht so gut‘. Damit kann ich etwas anfangen und schauen, wie ich etwas verbessere.“ So oder so stimmt hier die Qualität. Nicht ohne Grund trägt die Bäckerei Kirn seit 2016 das „Gütesiegel des Bäckerhandwerks Sachsen-Anhalt“, seit 2018 gehört sie mit dem „Ehrenpreis des Bäckerhandwerks“ zu den zehn besten Bäckereien des Bundeslandes. Und der hauseigene Christstollen gewann schon mehrere Goldmedaillen bei den Stollen-Prüfungen des Bäckerhandwerks in Magdeburg.

Der Christstollen wurde schon mehrfach ausgezeichnet.

Der Christstollen wurde schon mehrfach ausgezeichnet.

Bäckerei Kirn und die Regionalität

Die Rückbesinnung auf den Ursprung und das Natürliche bezieht sich auch auf die Wahl der Rohstoffe. Stefan Kirn legt größten Wert auf Regionalität: „Wir leben in einer sehr globalisierten Welt und ich sehe keinen Sinn darin, meinen Honig aus China und mein Mehl aus Russland zu beziehen, wenn wir auch hier sehr gute Imker und Bauern haben. Gerade der Boden in der Gegend eignet sich hervorragend für Getreide.“ Und so war und ist es für den sympathischen Bäcker eine Selbstverständlichkeit, das Mehl aus der Region zu beziehen. Das wird direkt von der rund 40 Kilometer entfernten Saalemühle in Alsleben nach Halle geliefert. Das Getreide stammt vollständig von im Umland ansässigen Landwirten.

Stefan Kirn liebt seinen Beruf. Und das merkt man ihm an.

Stefan Kirn liebt seinen Beruf. Und das merkt man ihm an.

Stefan Kirn ergänzt: „Da wir ohne Zusatzstoffe arbeiten, bemerken wir viel intensiver die Backeigenschaften, die sich aus den Rohstoffen ergeben. Für mein Empfinden nutzen wir ein sehr hochwertiges Mehl, wir kommen mit ihm sehr gut zurecht.“ Und Herr Kirn muss es wissen, schließlich steht er tagtäglich in der Backstube – und daran möchte er auf keinen Fall etwas ändern. Denn hier darf er kreativ sein: „Ich kann die Backware vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt an einem Tag begleiten. Und ich sehe unmittelbar den Erfolg oder Misserfolg. Ich muss also keine fünf Wochen daran arbeiten, um festzustellen, dass etwas schlecht geworden ist“.

Dieses Ausprobieren, das Stefan Kirn übrigens auch seinen Mitarbeitern freistellt, motiviert ihn immer wieder aufs Neue. Aber da ist noch etwas, was ihm an seinem Job überraschenderweise gefällt: Es ist die Arbeitszeit. „Das mag für viele unverständlich sein, aber die macht mir mit am meisten Freude. Ich arbeite nachts, schlafe dann von 8 bis 12 Uhr. Und wenn meine Kinder aus dem Kindergarten beziehungsweise der Schule kommen, bin ich auch wieder da und kann mich um sie kümmern. Das ist ein großer Vorteil, den die meisten gar nicht so empfinden. Die sehen nur die Nachteile der Nachtarbeit.“

Nicht auf der Stelle treten

Es ist schön, einen zufriedenen Bäckermeister in seiner Backstube zu erleben. Natürlich gibt’s auch hier und da Probleme. „Derzeit sind diese Ungewissheiten die größten Herausforderungen. Was ist in den nächsten Tagen, was nächsten Monat, was nächstes Jahr?“, fragt sich Stefan Kirn. Eigentlich wäre seine Bäckerei 2020 zum 25. Mal mit einem Stand auf dem hiesigen Weihnachtsmarkt vertreten gewesen, aber die Corona-Pandemie macht dem familiären Betrieb einen Strich durch die Rechnung und die Planung der kommenden Wochen kaum möglich.

Bäckerei Kirn ist erst seit einigen Monaten ein Ährenwort-Bäcker.

Bäckerei Kirn ist erst seit einigen Monaten ein Ährenwort-Bäcker.

Trotzdem bleibt Stefan Kirn optimistisch. Was in fünf Jahren ist? „Ich hoffe, ich habe mich dann noch ein bisschen weiterentwickelt und das eine oder andere Rezept verfeinert.“ Mehr wünscht sich der bescheidene Bäcker nicht.

Herr Kirn, wir wünschen Ihnen und Ihrer Bäckerei für die Zukunft alles Gute und weiterhin zufriedene Kunden. Details finden sich auf der offiziellen Webseite.

Informationen zum Autor

Sven Wernicke

Sven Wernicke

Blogger

Sven Wernicke ist freiberuflich für diverse Blogs und Onlinemagazine tätig. Bei Ährenwort beschäftigt er sich mit den spannenden Facetten des Qualitätsprogramms.