Die Gersdorfer Agrarproduktion und Handel e.G. ist auffallend experimentierfreudig. Der Ährenwort-Landwirtschaftsbetrieb ist stets offen für Neues. Und das ist auch gut so.
Als Thomas Thiele 2013 die Geschäftsführung der Gersdorfer Agrarproduktion übernahm, war er keine 30 Jahre alt. Nach der Ausbildung zum Landwirt und dem Fachabitur studierte er in Bernburg und begann parallel seine Tätigkeit als Pflanzenbauleiter in dem Betrieb. Mit seinen nun 36 Jahren ist der dreifache Vater Chef von 27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mitverantwortlich für zahlreiche Entscheidungen, die verdeutlichen: Wer in Zukunft bestehen bleiben möchte, muss auch neue Wege gehen, ausprobieren und gut informiert sein.
Die Gersdorfer Agrarproduktion ist vielseitig aufgestellt
Die Gersdorfer Agrarproduktion bietet für junge Landwirte wie Thomas Thiele vermutlich auch optimale Bedingungen, um sich „auszutoben“. Denn das Unternehmen ist erstaunlich breit aufgestellt. Die zur Verfügung stehenden 917 Hektar nutzt die Genossenschaft bewusst vielfältig. Unter anderem werden Dinkel, Durum, A- und E-Weizen angebaut, aber auch Erbsen, Zuckerrüben oder Hopfen. Thomas Thiele macht es sich mit dieser Herangehensweise sicherlich nicht einfach, aber er betont: „Mein Ansinnen ist mittlerweile, dass wir nicht den Massenmarkt mit großen Mengen einer Frucht bedienen wollen. Das können andere besser und günstiger. Vielmehr geht’s mir um eine möglichst hohe Qualität der Ernte.“ Im Fokus der Arbeit steht also das Berücksichtigen einer Fruchtfolge zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit. Genauso spielen eine angemessene Düngung und das Vorbeugen von Krankheiten bzw. Schädlingsbefall an den Pflanzen eine große Rolle.
Wenn Thomas Thiele über seine Arbeit spricht, verrät er fast schon nebenbei spannende Details. So setzt die Gersdorfer Agrarproduktion nicht einfach „nur“ auf herkömmlichen Raps, sondern bewusst auf einen speziellen mit einem hohen Gehalt an Erucasäure. Der wird vor allem in der Medizin benötigt. Aus den Erbsen aus Gersdorf werden unter anderem vegane Lebensmittel wie Glasnudeln. Auch finden sich auf den Feldern um Gersdorf Gerste und Gras für die eigenen 420 Milchkühe. Und allein 30 Hektar werden verwendet, um Saatgut herzustellen. Darunter Weizen für andere Landwirte.
Experimentierfreudigkeit und Probleme
Thomas Thiele ist stets auf dem Laufenden und scheut sich nicht, etwas zu wagen und zu experimentieren. Gemeinsam mit der Dresdener Mühle arbeitet die Gersdorfer Agrarproduktion bereits im dritten Jahr daran herauszufinden, wie bei künftigen Düngeverordnungen auch qualitativ hochwertiges Getreide produziert werden kann. Es ist für viele Bauern eine Herausforderung, mit weniger Dünger und Pflanzenschutzmitteln den Ansprüchen der Abnehmer gerecht zu werden. Hier kann Thomas Thiele vielleicht in Zukunft mit wichtigen Erfahrungswerten dienlich sein.
Testen, viele Früchte anbauen, sich weiterentwickeln – Thomas Thiele beschäftigt sich ausgiebig mit den aktuellen Entwicklungen. Und er sieht etliche Herausforderungen für die Zukunft. Eine davon ist es, junge Menschen für Berufe in der Landwirtschaft zu begeistern: „Uns erwartet wohl künftig mehr ein Hybridpflanzenschutz, also einfach gesagt eine Mischung aus mechanischer und chemischer Bodenbearbeitung. Wenn ich jetzt mehr auf die mechanische Schiene gehen möchte, brauche ich neben neuer Technik auch mehr Leute. Es ist schon jetzt in der Pflanzenproduktion schwierig, Personal zu finden, das ein Gefühl für die Natur hat. Traktor fahren will jeder, aber es muss auch ein bisschen damit zusammenhängen: was mache ich da und warum mache ich das überhaupt? Und was bewirke ich damit? Es ist echt nicht leicht, Menschen von der Arbeit in der Landwirtschaft zu überzeugen.“
Mit seiner Offenheit und Flexibilität hat Thomas Thiele andererseits auch die Chance, sich und den Betrieb voranzubringen, in moderne Technik zu investieren, das Personal angemessen zu bezahlen sowie zu motivieren und so für die kommenden Jahre gewappnet zu sein. 2021 feiert die Gersdorfer Agrarproduktion den 30. Geburtstag. Und in 30 Jahren soll es den Betrieb schließlich auch noch geben.
Dabei sein bei der Landwirtschaft der Zukunft
Am Herzen liegt dem freundlichen Landwirt ebenso die Regionalität: „Vor vier, fünf Jahren wurden wir von der Saalemühle+Dresdener Mühle gefragt, ob wir nicht Durum anbauen möchten, da dieser für die Teigwaren Riesa GmbH benötigt wurde. Die Nudelfabrik bezog den Hartweizen zuvor aus Kanada oder Osteuropa, was günstiger war. Durch das neue Hauptaugenmerk auf Regionalität und Nachhaltigkeit kam der Landwirt aus der Gegend ins Spiel…“
Und wie sieht’s mit dem Umweltschutz aus? Auch hier hat Thomas Thiele viel zu erzählen. Auf Brachflächen werden Blühmischungen zur Steigerung der Biodiversität ausgesät. 2020 entstand eine Streuobstwiese mit für die Region typischen Sorten wie Apfel, Birne, Kirsche oder Pflaume. Tiere erhalten so eine natürliche Rückzugsmöglichkeit. Und gerade in den letzten Jahren achtet die Gersdorfer Agrarproduktion auf wohlüberlegte Bodenbearbeitung statt Chemie. Thiele dazu: „Vieles kann man auch mechanisch bearbeiten. Das ist zwar ein Arbeitsgang mehr und vielleicht ein wenig kostenintensiver, aber mit einer wechselnden Bodenbearbeitungstiefe kann oftmals auf einen Glyphosateinsatz verzichtet werden.“ Der Betrieb möchte sich künftig verstärkt einbringen, um die Landwirtschaft 2030 mitzugestalten.
Die Liebe zur Arbeit
Auf die Frage, wieso sich Thomas Thiele so sehr bemüht, meint er: „Ich bin ja noch jung und ich will das noch eine Weile betreiben. Wenn ich an einer Stelle stehenbleibe, bringt mich das nicht weiter. Ich will weiter wirtschaften, ich will Planungssicherheit haben und mir nicht ständig Gedanken darüber machen, was ich noch machen darf und welche Zeitfenster ich dafür habe. Also muss ich aktiv bleiben und Lösungen finden.“
Und da ist noch ein großer Antrieb: Die Arbeit bereitet Thomas Thiele unverändert viel Spaß: „Mir hat mal jemand gesagt, dass du 11 Monate daraufhin arbeitest, um im 12. Monat deine Arbeit ernten und deinen Erfolg sehen zu können. Das ist es eigentlich. Ich sehe eben was ich mache und wie ich es beeinflussen kann. Mir ist das alles auch ein bisschen in die Wiege gelegt worden. Mein Vater war Landwirt und ich von Klein auf dabei. Ich kann das gar nicht so beschreiben, es ist eben so ein Gefühl, das Richtige zu tun.“. Landwirt sein, das ist nicht nur ein Beruf, es ist immer eine Berufung. Probleme lösen, neue Wege finden, dem Erfolg beim Wachsen zuschauen und bei Bedarf eingreifen – es scheint, als sei Thomas Thiele zufrieden, trotz zahlreicher Herausforderungen. Aber diese treiben ihn auch an, um weiterhin das Beste für seinen Betrieb zu geben.
Wir wünschen Thomas Thiele und dem Ährenwort-Unternehmen Gersdorfer Agrarproduktion und Handel e.G. bei Hartha für die kommenden Jahre und Jahrzehnte bestes Gelingen.
Informationen zum Autor
Sven Wernicke
Blogger
Sven Wernicke ist freiberuflich für diverse Blogs und Onlinemagazine tätig. Bei Ährenwort beschäftigt er sich mit den spannenden Facetten des Qualitätsprogramms.